Wöchentlich kommen bis zu 100 Flüchtlinge im Landkreis Miesbach an – und das obwohl die Kapazitäten längst ausgeschöpft sind. Nun muss nicht nur die Tegernseer Turnhalle wieder belegt werden…
Inflation, Energiekrise, Flüchtlingswellen: Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat weltweite Folgen, die auch im Landkreis Miesbach deutlich zu spüren sind. Die enormen Flüchtlingszuweisungen der vergangenen Monate stellen die ehrenamtlichen Helfer, aber auch den Fachbereich Ausländer- und Asylangelegenheiten am Landratsamt noch immer vor große Herausforderungen.
Allein in den vergangenen Herbst-Wochen wurden dem Landkreis Miesbach über 500 aus der Ukraine geflohene Personen sowie 200 Geflüchtete aus anderen Ländern zugewiesen. „Diese große Masse an Personen, die es zu registrieren, zu versorgen und unterzubringen gilt, ist für den Landkreis kaum mehr stemmbar“, betont Landratsamt-Sprecherin Sophie Stadler mit Nachdruck.
Weit mehr Geflüchtete als in der Krise 2015/16
Zum Vergleich: Vor Beginn der Ukraine-Krise im Februar lagen rund 450 Geflüchtete aus anderen Ländern im Verantwortungsbereich des Fachbereichs Ausländer- und Asylangelegenheiten. Bis Anfang Oktober kamen insgesamt 1.500 Geflüchtete aus der Ukraine hinzu. Die bisher höchste Anzahl an Geflüchteten verzeichnete der Landkreis nach der Flüchtlingskrise 2015/16 mit maximal 750 Geflüchteten im Landkreis.
Stadler macht deutlich: „Damals wurden zu Hochzeiten maximal 35 Personen wöchentlich dem Landkreis zugewiesen, aktuell belaufen sich die wöchentlichen Zuweisungen auf 50-100 Personen. Obwohl alle Kapazitätsgrenzen im Landkreis bei weitem überschritten sind, werden dem Landkreis weiterhin Geflüchtete zugewiesen.“
Das Landratsamt nennt als Beispiel den 24.11.2022 mit 50 Personen. Auch für den 1.12.22 wurden weitere 100 Personen angekündigt. Mit weiteren Zuweisungen sei jede Woche zu rechnen.
Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, so viele Menschen noch zielführend unterbringen zu können.Sophie Stadler, Sprecherin des Landratsamts Miesbach
Alle verfügbaren Asyl-Unterkünfte, die die Unterkunftsverwaltung laut Landratsamt seit Jahren nur mit mäßigem Erfolg versucht, zu akquirieren, seien voll belegt. Auch in den zusätzlich im Kontext der Ukraine-Krise angemieteten Unterkünften gebe es keine Kapazitäten mehr. Die Notunterkunft in der Gymnasiums-Turnhalle in Miesbach ist mit rund 200 Personen regelmäßig vollbelegt.
Und auch die Berufsschul-Turnhalle in Miesbach, die eigentlich als Erstaufnahmeeinrichtung dient, muss seit kurzem zusätzlich als Notunterkunft mit Geflüchteten belegt werden. Die Konsequenz: „Es bleibt vor dem Hintergrund der zahlreichen weiteren Zuweisungen nichts anders übrig, als eine weitere Landkreis-Turnhalle zur Flüchtlingsunterbringung umzunutzen“, so die Sprecherin.
Tegernseer Turnhalle wird wieder zu Flüchtlingsunterkunft
Bereits vor einigen Wochen schloss die Miesbacher Behörde nicht aus, auch die Turnhalle des Gymnasiums Tegernsee wieder mit Flüchtlingen zu belegen. Nun ist der Zeitpunkt gekommen:
Die Turnhalle am Gymnasium Tegernsee wird derzeit für die Unterbringung von bis zu 200 Geflüchteten vorbereitet.Sophie Stadler, Sprecherin des Landratsamts Miesbach
Alle Landkreis-Turnhallen seien unter anderem hinsichtlich Lüftung, Größe und Sanitäranlagen überprüft worden. Die Wahl fiel schlussendlich auf die Tegernseer Halle. Ein genauer Inbetriebnahmezeitpunkt stehe allerdings noch nicht fest – dies sei abhängig von den Umrüstungsarbeiten sowie von der Zugangslage.
Doch nicht nur die geringen Kapazitäten machen der Kreisbehörde zu schaffen. Auch die Finanzierung stellt eine Herausforderung dar: „Bedauerlicherweise ist es sehr mühsam, die erforderlichen Kostenübernahmen des Freistaats zu erhalten“, erklärt die Sprecherin. „Da Flüchtlingsunterbringung Aufgabe des Freistaats ist und die Landkreisverwaltung hier nur als verlängerter Arm des Freistaats agiert, darf der Landkreis nicht selbst in Aktion treten, sondern benötigt für alle Schritte die Freigabe der Regierung von Oberbayern.“
Zwei Containeranlagen in Planung
Inzwischen wurde laut Landratsamt immerhin die Kostenübernahme für eine Containeranlage in Holzkirchen am Moarhölzl „nach mehrmonatiger Diskussion auf verwaltungs- und politischer Ebene endlich genehmigt.“ Dort können bis zu 220 Geflüchtete untergebracht werden. Doch auch hier sei leider keine schnelle Entlastung in Sicht.
Nachdem zwar die Kostenübernahme vorliegt, muss nun unter anderem die Detailplanung, Ausschreibung und die Vergabe durchgeführt werden. „Die Ausschreibung zum Beispiel muss europaweit erfolgen, so sieht es das Gesetz vor. Es werden also noch einige Monate vergehen, bis die Containeranlage tatsächlich in Betrieb genommen und belegt werden kann“, erläutert Stadler. Die Kostenübernahme für eine geplante Containeranlage in Hausham für etwa 100 Geflüchtete liegt übrigens noch immer nicht vor.
Landrat Olaf von Löwis macht seinem Ärger Luft:
Es ist ein Unding, Geflüchtete in Turnhallen unterzubringen. Erstens, weil unsere Schülerinnen und Schüler genauso wie unsere Sportlerinnen und Sportler nach der langen Corona-Pause nun erneut nicht in ihre Hallen können. Zweitens, weil die Unterbringung in Turnhallen einfach nicht geeignet ist.Landrats Olaf von Löwis
Löwis habe eigenen Angaben nach schon unzählige Gespräche mit verschiedensten Politikern geführt, aber es sei sehr ärgerlich, dass es so langsam vorwärts geht. „Ich kann versichern, dass meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle Kraft dafür verwenden, die Hallen frei zu bekommen, aber bei dieser extrem hohen Anzahl an unterzubringenden Personen ist es einfach nicht möglich, andere Lösungen zu finden“, so der Landrat.
Die Unterkunftsverwaltung bittet nun erneut alle Bürgerinnen und Bürger um Unterstützung bei der Flüchtlingsunterbringung: Gesucht werden leerstehende Hallen oder größere Gebäude, die mindestens drei Jahre zur Verfügung stehen. Alle Angebote können an unterkuenfte@lra-mb.bayern.de gerichtet werden.
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