Ehrenamtliche Grüne aus dem Tal haben mich angesprochen, dass sie sich bedroht fühlen. Es ist ein Perpetuum: Wir posten, die Blase feuert. Wir löschen. Sie beleidigen uns.
„Wo in Tegernsee ist der Laden? Ich würde gerne dort ein Geschenk abgeben“, gefolgt von “Glückwunsch an die Geschäftsinhaberin”. Gruß aus unserer Kommentarspalte – beide Beispiele beziehen sich auf den Artikel “Wähler der Grünen möchten wir nicht bedienen”, den wir vor zwei Tagen veröffentlicht haben. Andere kommentierten unermüdlich den Ricarda-Lang Artikel. Über 40 Kommentare, ein Drittel deutlich rechtslastig, durchsetzt mit Bodyshaming und Misogynie.
Da geht es nicht um Graichen, nicht um das Heizungsgesetz – wie manche Medien die Wut-Welle gegen die Grünen geradezu verteidigen. Dabei ringen die Grünen bundespolitisch zunehmend um ihre Identität – stolpern weg von den jungen enttäuschten Klimaschützern. Schweigen betreten, weil die FDP lieber Markt als Staat ruft und müssen die Haltungslosigkeit der SPD (er)tragen. Auch die CSU nutzt das PR-Paket und schmückt sich auf Twitter mit einem Photoshop-Spaß, der Robert Habeck zeigt, wie er auf eine Heizung starrt. Lustig. Aber halt auch dumm. Die Grünen als Zerstörer – das ist so absurd, wie die Meldung, dass Beate Zschäpe ins Aussteigerprogramm möchte.
Gerne wird auch das Stilmittel der Täter-Opfer-Umkehrung bedient. Diejenigen, die sich sorgen, werden zu Tätern hingewurschtelt, wenn es heißt: “(…) Ausgrenzen der schlimmsten Ausgrenzer”, oder es wird die Nazi-Vergleichskeule rausgeholt, wenn gar nichts mehr geht. Auch alle Menschen zu einer Soße zusammenzurühren (die sind so, weil …) ist eine Strategie, die es vielen Hirnen einfacher macht zu lästern, vor allem aber ein simples Feindbild baut. So auch, wenn alle Grünen in einen Schwurbeleintopf vermengt werden. Bundespolitik ist nicht nur nicht gleich Kommunalpolitik, es ist schlicht unfair, Menschen nach einem Label zu beurteilen – da haben wir in diesem Land immer noch Mühsal mit.
Im Alltag der Kommunalpolitik sind Parteifarben eh etwas durchsichtiger. Da sind die Grünen zwar grün, aber die CSU manchmal auch, und umgekehrt gehts auch. Meist sind sie sanfte Warner und diejenigen, die Flächenfraß und Bau-Gier anprangern und sich für Fahrradwege und schnellere Taktung im ÖPNV streiten.
„Meinungsfreiheit geht mit Verantwortung einher“, so Alfons Besel, Bürgermeister in Gmund am Dienstagabend, „und die Freiheit endet da, wo ich mein Gegenüber verletze.“ Gut und passend gesagt, nachdem Gemeinderätin, Andrea Schack, am Ende der Sitzung das Wort ergreift: “Ich bin verzweifelt und fühle mich persönlich massiv angegriffen […] Mein eindringlicher Appell: Bleibt’s kritisch, aber bleibt’s auch fair dabei.“
Fair sein, also anständig sein. Gerecht und ehrlich bleiben. Es ist quasi eine Tugend. Und Tugenden finden doch alle fein? Auf geht’s! Und nächstes Mal bisserl länger nachdenken, ob es anständig ist, mit Dreck zu werfen. Oder ob es für eine Demokratie hilfreicher ist miteinander zu reden, ganz ohne Beleidigungen.
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