Wie läuft’s denn im “Tegernseer-Modell”-Quartier?

Nicht alles scheint in der neuen Einheimischen-Wohnwelt des Quartiers in Tegernsee rund zu laufen. Unzufriedene Neubewohner beklagen sich im Stillen. So richtig reden will aber keiner. Jedenfalls nicht in der Öffentlichkeit. Der Bürgermeister der Stadt stellt sich nun im TS-Interview der Kritik.

Tegernsees Bürgermeister Johannes Hagn stellt sich den Fragen rund um das Tegernseer-Modell.

In der Ortsmitte von Tegernsee, dort, wo ehemals das Krankenhausareal war, ist in den letzten Jahren das Wohn-Quartier Tegernsee entstanden. Ein Mega-Bauprojekt mit über 100 Wohnungen, das seit seiner Planung von allerhand Nebengeräuschen begleitet wird. Zu hässlich, zu groß und überhaupt mal gar nicht in den Ort passend ist der Grundtenor der Kritik.

Hinzu kommt, dass die ausführenden Bauherren den Bezugstermin für die Wohnungen, die teilweise schon 2018 verkauft wurden, immer weiter nach hinten verlegen mussten. Um bis zu zwei Jahre verschob sich für manche Käufer der Einzug. In der Folge kam es zu mitunter sehr hohen Zusatzkosten für die Neubesitzer. Sei es etwa für den benötigten Ersatzwohnraum oder Kosten für die Kreditfinanzierung. Schadensersatzforderungen wurden an den österreichischen Bauherrn gestellt, von denen manche, wie man hört, schon vor Gericht landeten. Und als die ersten Wohnungen bezugsfertig waren, gab es mitunter noch riesigen Ärger bei der Übergabe.

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Bewährt sich das “Tegernseer Modell” in der Praxis?

Eigentlich nichts Ungewöhnliches, so ist das oft bei großen Bauprojekten – mag man denken. Doch in diesem Fall kommt noch eine weitere Komponente ins Spiel: Die Stadt Tegernsee. Zwar nicht als Bauherr, doch als “Vermittler”. 21 der Wohnungen im Quartier Tegernsee wurden im sogenannten “Tegernseer Modell” vergeben. Im Rahmen des Projektes wird – abgestimmt mit den jeweiligen Bauherren – ein festgelegter Anteil der insgesamt entstehenden Wohnungen zu bevorzugten Konditionen (Quadratmeterpreis zirka 3.600 Euro) an im Ort lebende oder beschäftigte Familien und Paare vergeben. Wohlgemerkt sind dies keine staatlich geförderten Bauprojekte. Die Bewerber werden anhand eines von der Stadt aufgestellten Kriterienkatalogs ausgewählt. Der Kaufvertrag wird aber zwischen Bauherr und Käufer direkt abgeschlossen.

Mehrere Käufer haben sich in den letzten 12 Monaten mit ihrer Kritik an dem Projekt an die TS gewandt. Die Probleme sind vielfältig, zuhörende oder reagierende Ansprechpartner scheinen für die Betroffenen jedoch nur schwer zu finden. Neben finanziellen und kommunikativen Problemen mit Planquadrat, klagen die Neubewohner auch darüber, dass sich das Wohnkonzept des Quartiers wohl weniger an den Bedürfnissen von Familien orientiert. Zudem wird auch Kritik an der Stadt Tegernsee laut. Der Vorwurf: Man kümmere sich nicht genug um die Belange Käufer im “Tegernseer Modell”. Grund genug für die TS, einige Fragen der Betroffenen an Johannes Hagn, Bürgermeister der Stadt Tegernsee, weiterzureichen.

Wir haben von betroffenen Käufern Informationen erhalten, dass einige der Wohnungskäufer, die im Rahmen des Modells Wohnungen erworben haben, jetzt Probleme mit der Finanzierung haben. Liegen Ihnen diese Informationen auch vor?

Johannes Hagn: Mir ist dies in einem Fall, allerdings in einer etwas anderen Konstellation, bekannt.

Einige Käufer kämpfen wohl damit, dass sie durch den bis zu zwei Jahre verspäteten Einzug in ihre Wohnung auf den Mehrkosten für den Kredit, aber auch die doppelten Kosten zum Teil durch Übergangswohnungen sitzen geblieben sind. Planquadrat als Verkäufer, soll nicht bereit sein, die Mehrkosten zu übernehmen. Haben sich bereits Käufer an die Stadt gewendet und um Unterstützung gebeten?

Hagn: Es wurde in einem Fall ein Gespräch geführt und das Problem erörtert. Nachdem es sich hier um zivilrechtliche Verträge zwischen Dritten handelt, sind unsere Möglichkeiten allerdings sehr begrenzt.

Planquadrat wird durch die Verzögerungen wohl ebenfalls finanzielle Nachteile haben.

Schließlich wäre zu klären, wer die Verzögerung zu verantworten hat, dieses schuldhaft war und ob hier ein Regressanspruch besteht. Das kann leider nicht durch die Stadt geklärt werden.

Unter anderem gibt es auch Kritik an den Gemeinschafts-Fahrradräumen, den sich mehrere Wohneinheiten mit Kindern teilen. Der Vorwurf: Zu wenig Platz.

Was passiert, wenn ein Käufer erkennt, dass er, etwa bedingt durch die Verzögerung bei der Fertigstellung oder weil er sich schlicht mit dem Kauf der Immobilie übernommen hat, den Zahlungen nicht nachkommen kann? Die Wohnung wieder verkaufen ist wohl im Rahmen des Einheimischen Projektes keine Option? Welche Optionen hat der Betroffene?

Hagn: Die Wohnungen können zu den Bedingungen des Tegernseer Modells weiterverkauft werden. Allerdings ist ein freier Verkauf nicht möglich, da hier wieder nur Berechtigte zum Zug kommen. Eine Vermietung im Rahmen des Tegernseer Modells wäre möglich.

Ein weiteres Problem, vor dem aktuell einige Käufer zu stehen scheinen, ist, dass sie ihre Finanzierung auf genau die 15 Jahre abgeschlossen haben, die laut Vertrag erfüllt werden müssen, bevor die Immobilie frei veräußert werden kann. Aber durch den teilweise um zwei Jahre verschobenen Einzug, denn erst dann beginnen laut Vertrag des Modells die 15 Jahre Sperrfrist, scheinen die Käufer nun in ihrer Gesamtplanung Probleme zu bekommen. Wird es bei diesem Problem ein Entgegenkommen der Stadt geben?

Hagn: Dies kann nur der Stadtrat entscheiden, da es sich um eine Grundsatzentscheidung handelt, die unter Umständen für alle Verträge Wirksamkeit entfaltet.

Wir haben allerdings noch keine Erfahrung auf diesem Gebiet und müssen dies dann erst noch juristisch prüfen lassen.

Zunächst stellt sich jedoch die Frage, warum man keine Anschlussfinanzierung mit seiner Bank vereinbart.

Haben Sie als Stadt das Gespräch mit Planquadrat gesucht, um eventuell als Mittler bei Problemen aufzutreten?

Hagn: Wir sind in Kontakt.

Wohnungen im Tegernseer Modell sollen helfen, auch der Mittelschicht den Erwerb von Wohneigentum zu ermöglichen. Einige Menschen jedoch sehen bei diesem Modell das Problem, dass zwar zu günstigeren Konditionen – also weit unter dem üblichen Marktpreis – Wohnungen für die hier lebenden und arbeitenden Menschen geschaffen werden können, diese aber nur bedingt an die Bedürfnisse von Familien angepasst sind.

Hagn: Die Wohnungen mussten sich in ein Gesamtkonzept einfügen. Wir wollten zum einen die ursprünglich mögliche Baumasse von rund 20.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche nach unten verhandeln und zum anderen möglichst viele günstige Wohnungen erreichen. Wir haben jetzt knapp 15.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche und einen Kaufpreis weit unter Marktkonditionen.

Können Sie die Kritik also nachvollziehen?

Hagn: Bedingt. Jeder Käufer hat sich nach Durchsicht der Pläne und Bedingungen bei uns beworben und anschließend einen Kaufvertrag mit Planquadrat abgeschlossen.

Wir wollten den bestmöglichen Kaufpreis erreichen, um möglichst vielen Menschen den Erwerb zu ermöglichen.

Weniger Wohnungen zugunsten von mehr Nutzfläche hätte einen höheren Kaufpreis ergeben.

Das Guggemos-Neubauprojekt an der Hauptstraße wird auch Teil des “Tegernseer Modells”. / Quelle: Brauhaus Tegernsee

Zumeist weisen solche Luxus-Projekte gar keine Kinderzimmer mehr auf. Auch auf Platz für Gemeinschaftsräume, große Abstellräume und Spielplätze und -flächen wird in der Planung gern verzichtet. Hat die Stadt bei der Planung im Bereich “Tegernseer Modell” eigentlich ein Mitspracherecht? Zum Beispiel beim neuen Guggemos-Projekt?

Hagn: Wir haben im Rahmen von Bebauungsplänen einen gewissen Einfluss. Darüber hinaus gibt es hinsichtlich der Schaffung von Spielplätzen auch bestimmte gesetzliche Regelungen, die umgesetzt werden müssen. Wie oben dargestellt, ist es immer auch ein Kompromiss zwischen verschiedenen Parametern.

Plant Tegernsee bei einer steigenden Anzahl von Wohnungen im “Tegernseer Modell” bald einen eigenen Ansprechpartner im Rathaus oder Ähnliches – wie eine Art “Kümmerer”?

Hagn: Nein, derart wichtige Themen delegiere ich nicht.

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