Wiessee blecht: Freie Fahrt für Gäste

Obwohl die Gemeinde hohe Kosten für die Gratis-Busfahrten seiner Gäste übernimmt, soll es diesmal keinen Alleingang bei der Kündigung des Vertrags mit dem RVO geben. Bei diesem Kostentreiber setzt Bad Wiessee diesmal auf eine talweite Lösung.

Öffentliche Verkehrsmittel sollen im Tal mehr genutzt werden – darin sind sich die Gemeinden einig. Doch Wiessee fühlt sich über den Tisch gezogen.

Die oftmals längeren Schlangen an den Bus-Wartehäuschen zeigen, dass die Wiesseer Gästekarteninhaber das Angebot von Freifahrten gerne nutzen. Was für die Umwelt positiv ist, hat aber für den Kämmerer Schattenseiten. Denn die Abrechnung des Angebots mit dem Regionalverkehr Oberbayern (RVO) reißt in seinem Haushalt ein tiefes Loch. In diesem Jahr muss die Gemeinde eine Abschlagszahlung von 314.000 Euro berappen. Dieser Finanzierungsschlüssel sei ungerecht, war zuletzt einstimmiger Tenor im Gemeinderat.

Denn Wiessee trägt den mit Abstand größten Teil der Gesamtkosten, nämlich 57 Prozent, während sich die anderen Tal-Gemeinden 43 Prozent teilen. „Bis zum 28. Februar eines jeden Jahres erfolgt die genaue Abrechnung, da bis dahin nur die Zahlen aus dem Vorjahr als Grundlage für die Vorauszahlungen verwendet wurden“, informierte Geschäftsleiter Hilmar Danzinger den Gemeinderat.

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Seit 2006 genießen Gäste des Tegernseer Tals die Frei-Fahrten mit dem RVO. Grundlage dafür ist der Vertrag der fünf Gemeinden über die Anerkennung der Kurkarte als Fahrausweis und ihrer „Verortung“. Je nachdem, in welchem Talort der jeweilige Gast gemeldet ist, zahlt die entsprechende Gemeinde. Da aber der Verteilerschlüssel nicht auf den allgemeinen Übernachtungszahlen beruht, sondern auf den tatsächlich stattgefundenen Fahrten, fühlt sich Bad Wiessee benachteiligt. Denn der Kurort hat mit zirka 660.000 Übernachtungen im vergangenen Jahr lediglich einen Anteil an den gesamten Übernachtungen im Tal von etwa 42 Prozent.

Keine Belohnung des Klimaschutzgedankens

Das bedeute für die Gemeinde einen erheblichen finanziellen Nachteil, wenn die Gäste auf Gemeindegebiet den ÖPNV vermehrt nutzen, um die Umwelt zu entlasten und den Individualverkehr zu reduzieren. „Umwelt- und Klimaschutz wird anhand dieser Vertragsgestaltung somit bestraft – und nicht, wie es sein sollte: belohnt“, beklagte Danzinger im Ratssaal. Würde die Abrechnung laut Danzinger aber anhand der Übernachtungszahlen stattfinden, hätte die Gemeinde lediglich eine jährliche Zahlung in Höhe von 231.000 Euro zu leisten, somit rund 83.000 Euro weniger.

Folglich gelte es zu entscheiden, ob Bad Wiessee mit einem hohen Anteil an ÖPNV-Freifahrten auf Dauer die finanziellen Nachteile in dieser Höhe akzeptiert, „oder ob dieser Vertrag gekündigt und neu verhandelt werden sollte“, so die Anregung für den Gemeinderat. Doch der Abrechnungsschlüssel habe einen weiteren Haken, wusste Interimsbürgermeister Robert Huber (SPD).

Wenn ein Wiesseer Gast zum Wallberg fahre, müsste er beim Hotel Bachmair-Weissach umsteigen und erneut seine Gästekarte vorzeigen. „Damit schlagen sich diese Fahrten dann doppelt nieder“. Daher sei der Vertrag mit dem RVO laut Huber „überprüfenswert“. Man sollte sich über viele Schritte einer Lösung annähren. CSU-Fraktionssprecher Kurt Sareiter warnte allerdings davor, dass Wiessee den Vertrag einseitig kündige, da er dann für „alle Gemeinden hinfällig ist“.

Auch Freifahrt für Einheimische?

Der ÖPNV sollte nicht nur seinen Takt verdichten, er sollte auch kostenfrei nutzbar sein, erinnerte Bernd Kuntze-Fechner an den Antrag seiner SPD-Fraktion vom Dezember. Darin wurde ein Modell entwickelt, wie es einem großen Teil der Wiesseer Senioren ermöglicht werden kann, ein kostenloses Jahresticket für den RVO zu erhalten. Rolf Neresheimer warb dafür, da Wiessees Gäste zum Umsatz der anderen Tal-Gemeinden beitragen würden, die Freifahrten künftig über die Übernachtungszahlen abzurechnen. Auch die Einheimischen sollten mit ins Boot geholt werden, meinte der neue Klimaschutzbeauftragte von Wiessee.

Da der Gemeinderat nicht das Risiko einer einseitigen Vertragskündigung mit dem RVO eingehen wollte, wurde Huber beauftragt, diesen Sachverhalt zunächst in einer der nächsten Tal-Bürgermeisterrunden vorzustellen. „Denn eine Vertragskündigung dürfe nur im Einvernehmen mit den anderen Talgemeinden stattfinden“. Neue Töne aus Bad Wiessee, nach den Alleingängen bei der Zweitwohungssteuer, den Parkgebühren und zuletzt der Kurtaxe.

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