Die ganze Republik spricht über die Region Tegernsee. Das neue Sylt. Seegemeinden genehmigen wahnwitzige Bauprojekte, riesige Hotels wachsen aus der Ortsmitte heraus. Es gibt Befürworter hier und erbitterte Gegner dort. Um jeden Baum wird gerungen. Jede neue Bodenversiegelung wird zum Politikum. In Gmund ist meistens alles etwas lautloser und gemächlicher. Doch manchmal gibt es auch in der nördlichsten Tal-Gemeinde Geschichten, die deutlich aufzeigen: Gmund ist auch nur Teil des großen Ganzen.
Wie alles begann …
Im Januar 2019 stellt Josef Brenner, bekannter Tal-Gastronom und ehemaliger Wiesseer Gemeinderat, einen Antrag auf den Abriss eines bestehenden Hauses mit Mitarbeiterwohnungen und einer Arztpraxis in der Tölzer Straße und dem Neubau eines Mehrfamilienhauses an gleicher Stelle. Im Juli 2019 stimmen die Gmunder Gemeinderäte einmütig dem Vorhaben zu. Auf der Gemeinderatssitzung bedauert Alfons Besel (FWG) zwar die massive Ortsverdichtung, aber räumt ein:
Ja, das Ortsbild wird sich stark verändern dadurch. Es werden neue Wohnungen innerorts geschaffen. Ich könnte mit der Planung leben.
Im März 2020 kam es allerdings doch anders. Der Bauherr ist in sich gegangen und hat entschieden, keinen neuen Wohnraum zu schaffen, sondern die Wohnungen in Ferienapartments umzuwidmen. Was laut Bauherr eine Entscheidung pro Gemeinde war, wie er rückblickend erklärt:
Wir haben erkannt, dass es für Gmund besser sein wird, das Gebäude einer touristischen Nutzung zuzuführen, als die Wohnungen an zahlungskräftige Menschen, die wahrscheinlich eh nur wenige Wochen im Jahr darin leben, zu veräußern.
Auch dieser Nutzungsänderung stimmt der Gmunder Ortsplanungsausschuss im März 2020 einstimmig zu. Im September 2021 eröffnet Brenner das „Ansitz Brenner“ in Gmund. Luxus Ferien Apartments ab 50 Quadratmeter, teils mit Sauna. Dazu ein großer Garten und diverse Tiefgaragen- und Außenparkflächen um das Haus herum.
Vermeintliche Störgeräusche in der Idylle
Doch schon Mitte 2021 bekommen wir den Hinweis eines besorgten Anwohners, der sich bei Gmunds Bürgermeister Alfons Besel erkundigt, ob in dem Wäldchen, das südlich an das neue Apartmenthaus anschließt, Rodungsarbeiten geplant seien. Frank R. berichtet in seiner Mail von einer Begehung der Gemeinde mit Vertretern des Landratsamtes, die zufällig von Nachbarn beobachtet wurde. Dabei meinten die Anwohner, die Worte „Rodung“ und „Ansitz Brenner“ gehört zu haben.
Damals heißt es aus dem Rathaus, da seien nur normale Waldpflegemaßnahmen besprochen worden. Das Wäldchen gehöre ebenfalls Brenner. Besel machte auch deutlich, dass eine Bebauung vonseiten des Besitzers nicht möglich sei. Das Wäldchen sei ein „ausgeschriebenes Biotop“. Kein Grund zur Aufregung also.
“Brenners Waldpflegeteam” rückt am Wochenende an
Am 6. Februar 2022 schreibt Frank R., der „Störer der Idylle“ und besorgter Nachbar, erneut an den Bürgermeister, die TS sowie die Schutzgemeinschaft Tegernseer Tal (SGT). Der Baumbestand im Brenner-Wäldchen sei zu geschätzt 50 Prozent entfernt worden und berichtet weiter: “Da insbesondere große signifikante Bäume gefällt und auch das Unterholz komplett entfernt wurde, hat der traurigen Rest nichts mehr mit dem zu tun, was ein Biotop ausmacht.”
In der folgenden Woche meldet sich Frank R. erneut. Am Wochenende des 11. und 12. Februars seien die Waldarbeiter entlang des Dr. Kober Weges wieder aktiv gewesen. Viele junge Buchen und anderes Gehölz seien fast spurlos und ohne erkennbare „Fällspuren“ in einem zirka 35 Meter langen und 15 Meter breiten Bereich entlang der Straße verschwunden.
Der kleiner Widerstand formiert sich
Auch andere Nachbarn haben sich diesmal beim Bürgermeister, der Forstbehörde und der Unteren Naturschutzbehörde über die sonderbaren Vorgänge in dem kleinen Wäldchen beschwert (Mails liegen der Redaktion vor).
Ein Anwohner-Ehepaar weist darauf hin, dass auch direkt am Apartmenthaus etwas vom Wald abgeknapst wurde. Dort seien durch Aufschüttung des Südhanges eine mehrere hundert Quadratmeter große Rasenfläche sowie im Straßenbereich Stellplätze entstanden. Andere fragen sich, wie es denn sein kann, dass man einfach mal so Blickschneisen in den geschützten Wald schlagen könne, zumal vorher dort noch gesunde Ahorbäume und Buchen gestanden haben.
Der Bauherr und Waldbesitzer selbst ist sich auf Nachfrage keiner Schuld bewusst. Bei den getroffenen Maßnahmen habe es sich lediglich um notwendige Waldpflege gehandelt, die mit dem Forstamt abgestimmt waren, betont Brenner. Es sei notwendig gewesen, die kranken Eschen aus dem Wald zu entfernen. Das sei auch zum Schutz der am Weg abgestellten Autos der Nachbarn alternativlos gewesen.
Abgestimmtes Vorgehen im Wäldchen?
Wie es zu dem Kahlschlag von 15 Metern Wald entlang des Dr. Kober Weges (siehe Bild oben) gekommen ist, kann Brenner allerdings nicht erklären: “Ich kann nicht genau sagen, was die Fachleute vor Ort gemacht haben, da ich bei den Arbeiten nicht anwesend war. Vielleicht haben sie etwas zu viel erwischt. Wir werden das wieder aufforsten. Das wächst wieder nach.”
Im von Brenner zitierten Forstbetrieb in Gmund sieht man die getroffenen Maßnahmen allerdings etwas kritischer: Dazu Hans Feist vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Tegernseer Tal:
Es ist schon kühn zu behaupten, die Arbeiten in dem Waldstück seien so mit uns abgesprochen worden. Es gab im Herbst eine gemeinsame Ortsbegehung, das ist richtig.
Aber im Anschluss daran habe er keinen weiteren Kontakt mit dem Waldbesitzer gehabt. Vielmehr sei Brenner darauf aufmerksam gemacht worden, dass der hintere Teil des neuen Gartens weiterhin ein Waldgebiet sei und keineswegs eine Rasenfläche. Der Besitzer des Apartmenthauses sei verpflichtet worden, anhand eines von der AELF überreichten Pflanzplanes den „Waldzustand“ wieder herzustellen.
Feist macht aber deutlich, dass man bei dem Treffen weder den kompletten Kahlschlag am Dr. Kober Weg besprochen noch kranke Bäume für eine Fällung gekennzeichnet habe. “Herrn Brenner gehört der Wald und er darf ihn natürlich bewirtschaften, aber ich hätte mir gewünscht, dass er uns vorher zurate gezogen hätte”.
Was da oben passiert sei, habe mit einer professionell durchgeführten Waldbewirtschaftung wenig gemein. Allerdings sei es fraglich, ob der Waldbesitzer für die getroffenen Maßnahmen verantwortlich gemacht werden kann, da das Waldschutz-Gesetz besonders bei privatem Besitz doch dehnbar sei.
Einigkeit vor geschaffenen Tatsachen
Das sieht auch der Bürgermeister von Gmund so. In einer Mail an die Redaktion vom neunten Februar spricht Besel noch von einer „üblichen forstlichen Praxis“, die man aber weiter im Auge behalten wolle. Nur eine Woche später jedoch, nach der nächsten „Waldpflege-Aktion Brenners“, schreibt Besel einem Anwohner: “Laut AELF ist der Eingriff aus forstfachlicher Sicht sehr stark ausgefallen, bewege sich aber im Rahmen dessen, was das Bayerische Waldgesetz zulässt.”
Arno Jaeger von der Unteren Naturschutzbehörde des Landkreises wurde von Angela Brogsitter-Finck (SGT) zu den Vorgängen in dem Wäldchen befragt. Jäger bekräftigt das Recht des Waldbesitzers auf Herausnahme und Pflege. Allerdings habe auch er von Herrn Feist gehört, dass der jetzige Eingriff nicht dem entspricht, was von forstlicher Seite üblicherweise empfohlen werden würde. Immerhin berichtet Jäger, der sich derzeit im Urlaub befindet, der SGT auch:
Mir wurde seitens des Eigentümers nämlich versichert, dass die bereits letztes Jahr durchgeführten Rückschnitte von den Nachbarn durchweg positiv aufgenommen wurden.
Man wird sehen, was am dritten März bei der Bürgerversammlung im Gmund in dieser Angelegenheit besprochen wird. Die Anwohner wollen die „Waldpflege“ in jedem Fall auf die Agenda setzen. Den Gästen des Apartmenthauses Brenner wird die Aufregung im Dorf egal sein – sie genießen in Zukunft den baumfreien Blick auf das schöne Tegernseer Tal.
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