Über die Millionen-Vorhaben im Tal:
Wünsch-dir-was-Rausch? Bauprojekte im Tegernseer Tal

Im Tegernseer Tal baut sich der Bürgermeister seine eigene millionenschwere Erinnerungskultur. Das ist zumindest der Vorwurf. Hauen die Kommunen am Tegernsee das Geld raus?

Das “Severins”. Zwar keine Baustelle der Kommunen, dennoch ist das Tal von Baugruben durchlöchert. Quelle: Redaktion

In Bad Wiessee will der Gemeinderat einen Gasthof aufdübeln: Die Kosten dafür werden jetzt schon auf 23 Millionen Euro geschätzt. Unten am See soll es ein Schwimmbad sein. Auch hier sind zweistellige Millionensummen eingeplant. In Gmund muss Bürgermeister Alfons Besel ein KITA-Zentrum entwickeln. In Tegernsee wird das neue Feuerwehrhaus fast 20 Millionen Euro kosten. Und dann haben wir in Rottach-Egern den Rathaus-Neubau, der in den Planungen derzeit elf Millionen Euro Steuergelder kosten soll. Achtung Ironie: Die Landkreis-‘Hauptstadt’ Miesbach ist so gut wie pleite.

Fünf kommunale Bauwerke im Tegernseer Tal

Fünf kommunale Bauwerke stehen auf der Agenda des Tegernseers Tal: Teilweise im Bau, weitere in der Planungsphase. Gesamtkosten: irgendwo jenseits der 70 Millionen Euro. So zumindest der Stand heute. Für ein Tal mit 27.995 Einwohnern sind das erstaunliche Ausgaben. Massive Schulden bedeutet für einige Gemeinden, andere schöpfen die Ausgaben aus ihrem großzügigen Steueraufkommen und damit gefüllten Gemeindekassen. Oder etwa nicht?

Wenn Kommunen Großprojekte angehen, sind das in den seltensten Fällen individuelle Träume narzisstischer Bürgermeister oder Bürgermeisterinnen. Die Bürger wollen es gern hübsch haben. Ein Hallenbad am Tegernsee? Natürlich. Jüngst mahnte ein ortsansässiger Verein an, man möge doch nicht nur eine spartanische Schwimmstätte planen, der Tegernsee sei doch eine Premium-Destination?

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Die Feuerwehr, immerhin alles Freiwillige, soll ordentlich und gut ausgestattet sein. Gmunds Kinderbetreuung platzt aus allen Nähten, eine Krippe drängt sich seit Jahren auf. Für die Seniorinnen und Senioren müssen Pflegeplätze geschaffen werden. Und in einer Rottacher Rathaus-Ruine will keiner arbeiten, respektive heiraten. Für alle Projekte gab und gibt es große Zustimmung. Und dann wird umgesetzt. Und dann wird es teurer als gedacht. Komisch, oder? Kriegen die in der Verwaltung nichts hin?

Feuerwehrhaus Tegernsee kämpfte mit massiven Preissteigerungen

Werden die Kosten zu einem frühen Zeitpunkt überschlagen, sind Sonderwünsche, steigende Rohstoffpreise oder auch Kosten durch Verzögerung im Baufortschritt nicht immer eingepreist. Das geschieht nicht unbedingt mit Absicht, vielmehr handelt es sich oft um externe Faktoren, die den Bauamtsleiterinnen den Schweiß auf die Stirn treiben.

Das Projekt Feuerwehrhaus in Tegernsee ist ein gutes Beispiel: Vor Jahren geplant, immer wieder durch Beratungen, Diskussionen und Arbeitskreisen verändert und verzögert, rutschte ungebremst in eine Zeit der massiven Preissteigerungen. Lieferengpässe, Materialknappheit, gestiegene Energiepreise – die Folgen von Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg haben die Kosten für das Haus an der Hochfeldstraße erheblich beeinflusst. Das Statistische Bundesamt (Destatis) schreibt, dass nahezu alle Baumaterialien im Jahresdurchschnitt 2022 noch einmal deutlich teurer als im Vorjahr waren.

Schon zwischen 2020 und 21 steigerten sich die Preise massiv. So verteuerten sich Baustoffe wie Stahl, Stahlerzeugnisse oder Glas, die energieintensiv hergestellt werden. Stabstahl war im Jahresdurchschnitt 2022 um 40,4 Prozent teurer, Blankstahl 39,1, Betonstahlmatten 38,1 und Stahlrohre kosteten 32,2 Prozent mehr als im Jahresdurchschnitt 2021. Auch der Baustoff Holz ist von den Steigerungen betroffen: So verteuerten sich HDF-Faserplatten (+46,0), Spanplatten (+ 33,4 Prozent) oder Fenster-, Türrahmen aus Holz (+24,4 Prozent) im Jahresdurchschnitt 2022 gegenüber dem Vorjahr deutlich.

Brandschutz und Klimaschutz: Zu viele Vorschriften?

Und dann ist da der nächste Preistreiber: Vorschriften. Mal muss die Betondeckenstärke von 18 auf 24 Zentimeter verstärkt werden, mal treiben neue Dämm– und Klimaschutzvorgaben oder Brandschutzvorschriften die Kosten. Das gilt vor allem für Neubauten, aber auch für Sanierungen alter Häuser. Das sind Faktoren, die Bürger in der Regel selten auf der Rechnung haben, wenn sie über die verschwenderische Politik wüten.

Viel zu oft kämpfen kommunale Verwaltungen mit einer Regulierungs- und Vorschriftenwut, die ihnen von anderen Stellen, ob Land, Bund oder EU aufgezwungen werden und Projekte verzögern und verteuern. Und dann kommt eine immense Dokumentationspflicht hinzu. Schon das Erschließen eines Gewerbegebiets in Kreuth lief über mehr als ein Dutzend Behörden und Ämter. Alle müssen gehört werden und ihren Stellungnahmen hinzufügen. Das kann sinnvoll im Sinne des Landschaftschutzes sein, manchmal aber auch bremsend. Einfach ist kommunales Bauen damit nie.

Effizient wirtschaften in den Kommunen

Effiziente und moderne Kostenkontrollen haben nicht in allen Bauämtern Einzug gehalten. Man verkündet in Wahlkämpfe Großprojekte, merkt aber recht schnell, dass die eigene Kassensituation das Versprechen nicht trägt. Und gern kommen Politiker im Tal dann mit dem irren Hinweis auf staatliche Förderung oder Beteiligung anderer Kommunen am Großprojekt daher. So, als sei dieses Geld nicht von Steuergeldern, also von allen erwirtschaftet worden.

Sind die Kassen einzelner Kommunen des Tals gefüllt, ist dann auch schnell ein Wünsch-dir-was-Rausch bei einigen Beteiligten vorhanden. Ein Verwaltungsgebäude muss den Ort plötzlich pfingstochsenmäßig schmücken. Da wird die eigene Ästhetik zum ultimativen Maßstab herbeigefaselt. So baut man in Bayern. Wenn dann noch ein eitler Kreisbaumeister seine Sicht draufsetzt, wird es eben teurer.

Ob Raumgrößen, alternative Energieformen oder japanische Holzverkleidungen – Feierabendpolitiker in ihrer Rolle als Bauherren/frauen wirken bei den Planungen oft wie Kinder beim Ausfüllen der Weihnachtswunschzettel. Räte werden das nie zugeben: Aber müssten die kommunalen Projekte aus eigener Tasche gezahlt werden, wären einige Diskussionen schnell vom Tisch. Der Staat als Bezahlquelle ist eben zu weit weg vom Bewusstsein einiger Entscheider. Und: So ein Bauprojekt schmückt den Bürgermeister sicher auch. Man steht mit Helm auf der Baustelle und knipst Fotos von sich. Das kommt immer besser als schnödes Aktenstudium und Jubiläumsbesuche an.

Rathaus-Neubau in Rottach-Egern

Aber ausgerechnet für das Projekt Rathaus Rottach-Egern lässt sich das nicht behaupten. Hier hat ein Gremium lange mit den Alternativen gerungen, öffentlich und nicht-öffentlich, wurden Bürgerinnen und Bürger frühzeitig eingebunden, auf Kritik von außen wurde reagiert. Es zeigt, wie vital und politisch eine Gemeinde ist, wenn ihre Bürger Fragen stellen und eigene Ideen haben. Das kann und soll auch durchaus jenseits der üblichen repräsentativen Abläufe passieren. So ein außerparlamentarisches Agieren birgt aber eben Risiken. Etwa, wenn Bauprojekte bereits einstimmig auf die Spur geschickt wurden, dann aber Bürger bremsen: Das wird teuer. Und der Frust in der Gemeinde nimmt zu. Wenn dann noch Raunen über Vorteilsnahme diverser Räte hinzukommt, statt deren Expertise anzuerkennen, wird es ungemütlich und auch unredlich.

Die Bürgermeister von einst hätten solche Projekte einfach durchgeprügelt, hier Druck ausgeübt, dort mit Zuneigung geworben. Aber diese Zeiten sind vorbei. Auch im Tal. Es braucht neue Regeln für Großprojekte und mehr Transparenz. Dann aber auch eine Vereinbarung miteinander, also wann ein fertig geplantes, von der Mehrheit gewolltes Vorhaben aufgegleist wird. Last Minute Proteste sind dann meist nur eines: narzisstische Wichtigtuerei, die einer Gemeinde langfristig schaden.

Weyarn machts vor

Aber auch die Verwaltungen und Politik braucht, wenn sie das Gespenst Bürgerentscheid vermeiden wollen, ein anderes, modernes Verständnis von Bürgerbeteiligung. Millionenprojekte, die aus dem finanziellen Ruder laufen, verunsichern und verdrießen alle. Weyarn hat es vor Jahren mit ihrem damaligen Bürgermeister Michael Pelzer vorgemacht. Dort hat man Bürger bei Planungen zum Ortskern eingebunden. Das Ergebnis lässt sich sehen, hat Preise gewonnen. Dazu gehörte auch, die in vielen kleinen Ortsteilen zergliederte Kommune als Ganzes zu sehen. Eine Idee, die für das Tegernseer Tal mit seinen kleinen Gemeindefürsten und einem immer noch stark ausgeprägten Kirchturmdenken nahezu revolutionär wäre.

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