Apotheker Obermüller hört in Tegernsee auf
Hof-Apotheke in Tegernsee sucht Nachfolge

Nach 30 Jahren ist Schluss. Eine weitere Institution am Tegernsee schließt. Diesmal ist es kein Hotel, sondern eine Traditionsapotheke. Inhaber Andreas Obermüller hört auf. Warum?

Andreas Obermüller, Apotheker und Stadtrat in Tegernsee. Hier vor seiner Apotheke, der Hof-Apothke in Tegernsee. Gleich gegenüber vom Rathaus. Foto: Archiv.

Drei Jahrzehnte sind eine lange Zeit. Das weiß der Apotheker Andreas Obermüller aus Tegernsee. Unzählige Nachtdienste, Arbeiten am Wochenende – und zum Schluss noch eine Pandemie. Nun ist er 60 Jahre alt geworden und schließt seine “Pillenstube”. Er will sich mehr seiner Familie und der ehrenamtlichen Arbeit im Stadtrat Tegernsee widmen. Dort kam er oft etwas verspätet an. Grund: Als Selbständiger musste er sich an seine Öffnungszeiten halten, noch gern Last-Minute-Kunden bedienen. Wir haben ihn besucht und wollten wissen, wie es weitergeht:

Zum Ende 2023 schließen sich die Türen deiner Hof-Apotheke. Was hat Sie dazu bewegt?

Ich bin 60 geworden und habe die Apotheke dann genau 30 Jahre geleitet. Die Belastungen durch die vielen Nacht-, Sonntags- und Feiertagsdienste wurden immer mehr, sodass ich mich nun zurückziehe. Jetzt gibt es zusätzlich Veränderungen durch das E-Rezept; wenn ich mich darauf einlasse, dann müsste ich noch einige Jahre weitermachen, damit sich der Aufwand rechnet. 

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Notdienste sind ja ein Alleinstellungsmerkmal der Apotheken. Ein Service, den Online-Apotheken so nicht leisten können. Wie sehen sie die Zukunft der Apotheken bzw. des damit verbundenen Service?

Von Nacht- und Notdiensten kann man nicht leben. Um Kunden im wirklichen Leben zu versorgen, braucht man gute Leute, die ich glücklicherweise immer hatte. Doch ist die Zukunft der Präsenz-Apotheke angesichts der Politik zweifelhaft. Guter Service, also Beratung, Lagerhaltung und auch Belieferung kosten Geld und unterliegen den üblichen Preissteigerungen. 

30 Jahre – was waren die Highlights? Was waren die negativen Seiten?

Wenn ich den 1. Dezember 1993 und die Situation jetzt sehe, dann hat sich fast alles radikal verändert. Die Tätigkeiten im Hintergrund sind viel mehr gewonnen, bei sehr zweifelhaftem Nutzen. Und leider ist dadurch die Zeit für Kunden weniger geworden. Besondere Freude hat mir immer der Dienst an den Menschen gemacht, wenn man helfen kann und der Kunde das honoriert. Und der eine oder andere Promi hat auch bei mir gekauft. Da darf ich keine Namen nennen, aber die Begegnung mit Debbie Harry von Blondie war ein Höhepunkt.

Insgesamt kann ich mich nicht beklagen, der Spaß und die Freude hat bei weitem überwogen, und darum tut es mir auch sehr leid.  Andreas Obermüller

Was hat sie in jüngster Zeit am meisten erzürnt?

Die Weigerung der Bundesregierung, wenigstens einen Inflationsausgleich zu gewähren. Es ist völlig ignorant zu behaupten, ein Gewerbebetrieb hätte 2024 mit den Einnahmen von 2004 eine Perspektive. Minister- und Abgeordnetenbezüge steigen jedes Jahr kräftig, ebenso die Einnahmen der Krankenkassen, die bei jeder Gehaltserhöhung und jeder Überstunde mitkassieren. Doch für die Apotheken gibt es nicht mehr. 

Sie erwähnen, dass sich ihre Vergütung seit 2004 nicht verändert hat. Was heißt das konkret? Man spricht ja nicht umsonst von “Apothekerpreisen”. Ist da, salopp gefragt, nichts oder nur wenig für Sie “hängengeblieben”?

Ein Beispiel: Bei einem gängigen Blutverdünner stieg der Preis für 100 Stück von 320 Euro auf 350 Euro. Unser Anteil vor der Erhöhung ist 3 Prozent plus 8,35 Euro, also etwa 18 Euro. Nach der Erhöhung bleiben uns etwa 18,90 als Ertrag. Von den 30 Euro Preiserhöhung bleiben also dem Hersteller etwa 27 Euro pro Packung, um die gestiegenen Kosten zu decken. Die Apotheke bekommt bei diesem Hochpreiser nur 90 Cent mehr. Damit kann man keine Kostensteigerung abfangen. 

Sie haben ja eine Apotheke, die nahezu perfekt liegt und Parkplätze bietet. Welche Nachfolger wünschen sie sich? Was müssen sie oder er mitbringen?

Die Lage ist wirklich top, es mangelt auch nicht an Kunden, doch ist meine Zeit um. Mein Nachfolger würde mit frischem Tatendrang starten, so wie ich es 1993 getan habe und den Umsatz sicher deutlich steigern können. Wir haben ja auch eine Kosmetikabteilung und ein gutes Sortiment an freiverkäuflichen Medikamenten. Ich habe damals den Umsatz schon bald verdoppeln können.  

Sie sind jetzt 60 Jahre alt. Kann es ein Leben ohne “Giftmischerei” geben? Und wie wird das aussehen? 

Das ist natürlich nach so langer Zeit, in der man fast schon für die Apotheke gelebt hat, nicht ganz einfach.

Ich widme mich verstärkt der Familie und meinen Ehrenämtern. Andreas Obermüller

Ruhestand steht noch nicht an, ich werde in einigen Monaten sicher wieder aktiv werden. Mal sehen, was sich für mich bietet, vielleicht in einer Apotheke oder als Quereinsteiger in einem ganz anderen Bereich.

Vielen Dank für die Antworten. Wir wünschen einen feinen Ruhestand.

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