Oligarchen ja – Energiewende bitte woanders

Rückständig wie eh und je? Rottach-Egern macht seinem Ruf wieder einmal alle Ehre. Alte Werte, rückwärtsgewandte Politik, Weltoffenheit nur beim Geld gern auch aus aggressiven Ländern. Nicht diskutieren – sondern ablehnen.

Gestern hat Bürgermeister Christian Köck aus Rottach-Egern und sein Gemeinderat einem Projekt der Energiewende die öffentliche Diskussion verweigert / Archivbild

Ein Kommentar von Sabiene Hemkes:

Am Tegernsee haben viele erkannt, auch in Zeiten der Energiekrisen, wie wichtig der Wandel, das Umdenken ist. In Rottach-Egern scheint’s noch nicht so weit damit zu sein. Gestern wurde im Gemeinderat rund um Bürgermeister Christian Köck eine Energiepark-Initiative eines einheimischen Investors abgelehnt. Richtig. Abgelehnt – nicht vorgestellt. Darauf hat man verzichtet in der öffentlichen Sitzung.

Aber, wie man den Beobachtern gestern versicherte, habe man es sich in der Gemeinde nicht leicht gemacht, die Photovoltaikanlage, ein mit Holz verschaltes Biomasse-Kraftwerk und die 40 Grad Grundwasserwärmepumpe abzulehnen. Gründe für die Ablehnung laut Köck: Emissionsschutz, Naturschutz, aber auch der Denkmalschutz im Hinblick auf die Auferstehungskirche.

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Die bewusste Abwesenheit der Transparenz

Die Argumentation hört sich an, als würde hier die Hotel Max Bachmair GmbH ein Kohlekraftwerk bauen. Vielleicht sollte der CSU-Dorfvorsteher lieber mal darüber nachdenken, in seiner Gemeinde eines seiner so geschätzten Atomkraftwerke zu planen. Die sind ja so viel umweltverträglicher, wie der Bürgermeister Rottachs nicht müde wird zu betonen. Zuletzt der TS gegenüber, als es um die Frage ging, wie man in der Gemeinde Rottach plant, die EU-weit geforderten 20 Prozent Einsparung beim Energieverbrauch zu realisieren.

Aber ich vergaß – das Credo weiter Teile der bayerischen CSU: Energiewende unbedingt, aber bitte nicht hier im schönen Bayern. In Rottach heißt Energiesparen die Beleuchtung bis 2023 auf LED umzustellen und fünf Weihnachtsbäume einzusparen. Glangt scho.

Selbst auf einer Klausurtagung am vergangenen Wochenende habe man laut Köck mit den Räten über das Projekt diskutiert. Na super – alles schön hinter verschlossenen Türen. Den Mut, das Projekt öffentlich zur Diskussion zu stellen, den hat man dann nicht. Scheut etwa die Mehrheit der Gemeindevertreter die öffentliche Auseinandersetzung mit der Energiekrise und deren Folgen am südlichen Seeufer? Es macht ganz den Eindruck.

Worum geht’s eigentlich?

Jedenfalls darf man als Beobachterin durchaus die Frage stellen, warum ausgerechnet Rottach-Egern, ein Ort, der einmal für die höchste Millionärsdichte in Deutschland bekannt war, Angst davor hat, sein Stadtbild zu verschandeln. Oder geht es etwa um die Grundstückspreise? Sorgt sich der Rat etwa um das Wohlbefinden der reichen arabische Ölmagnaten und der russischen Oligarchen und ihrer Freunde? Uns bleibt nichts als Spekulation. Das bleibt hinter verschlossenen Rathaustüren.

Bei den Besitzern der als so “schützenswert hervorgehobenen Auferstehungskirche” scheinen die Räte wohl nicht angeklopft zu haben, um zu erfahren, wie sie zum Projekt stehen. Denn die Evangelische Kirche Deutschland (EKD) bezieht ganz klar Stellung zum Thema erneuerbare Energie, wie in der letzten Woche bei der Synode in Magdeburg deutlich gemacht wurde. Dort trat Klimaaktivistin Aimée van Baalen von der “letzten Generation” vor das Plenum. Nach dem Vortrag gab es von “großen Teilen” der Mitglieder des Kirchenparlaments stehenden Applaus. Bischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, Beauftragte der EKD für Schöpfungsverantwortung, fasste sie Lage so zusammen:

Der Menschheit fehlt es nicht an wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Klimawandel und Beschlüssen zu dessen Bekämpfung. Was aber fehlt, ist der Wille zu verantwortlichem Handeln. Bischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt, Beauftragte der EKD für Schöpfungsverantwortung – 08.11.2022

Also gar keine gute Idee, sich hinter einer Kirche zu verstecken. Schon gar nicht einer evangelisch-lutherischen in Deutschland.

Aktionismus: Aber bitte, Herr Köck

Es war fast zu erwarten, dass sich der CSU-Politiker hinter dem Schlagwort “Aktionismus” versteckt bei der rigorosen Ablehnung der Pläne der Egerner Unternehmer-Familie. Außerhalb der Energie-Traumwelt des Tegernseer Tales wird niemand, so er nicht Zweitwohnsitzler in Rottach ist, auf die Idee kommen, ein Energieparkprojekt, wie das den Bürgern nicht vorgestellte, als Aktionismus zu bezeichnen.

Schon gar nicht, wenn man weiß, dass sich Rottach-Egern wie auch alle anderen Gemeinden rund um den See verpflichtet haben, bis 2035 klimaneutral zu werden. Nichts, aber auch gar nichts, was hilft, der eigenen Zielsetzung nahezukommen, wurde bisher von der Gemeinde unternommen. Mit Aktionismus, Herr Köck, hat das wirklich nichts zu tun – das ist richtig.

Geben dann etwa die klatschenden Herrschaften in den Zuschauerreihen auf der Sitzung im Seeforum dem Bürgermeister und der Mehrheit seines Rates Recht, die Pläne nicht öffentlich zur Diskussion zu stellen? Kennen diejenigen, die die Ablehnung bejubeln, die Pläne etwa schon? Sind das wirklich die Nachbarn? Wo sind denn die Rottacher, die sich angesichts der Energiekrise, ausgelöst durch den völkerrechtswidrigen Überfall auf die Ukraine, freuen würden über saubere, nachhaltige, sichere und günstige Energie? Ich vergaß. Dafür sind ja alle, nur eben nicht “bei mir im Ort” und schon gar nicht beim Grundstücksnachbarn.

Nichts sehen – nichts hören – nichts diskutieren

Rottach-Egern erweckt nicht erst seit dem “erzwungenen Rauswurf” des von vielen so geschätzten Oligarchen Alischer Usmanow den Eindruck, als wolle man dort einfach nur seine eigene kleine, heile Welt bewahren. Unvergessen die Nachbarn, die bei der Hausdurchsuchung beim Oligarchen vor einigen Monaten die bundesdeutschen Medien aus den Fenstern der Nachbarhäuser heraus beschimpften.

Oder der Bürgermeister, der sich zum zigsten Mal wegduckte. Wobei diese Reaktion wahrscheinlich eher mit Selbstschutz zu erklären ist. So toll ist die Medienarbeit in Köcks Oligarchen-Krisenmanagement ja nicht gelaufen.

Es darf bezweifelt werden, dass die “drei Affen-Strategie” der Rottacher noch lange Erfolg hat. Andere lokale CSU-Repräsentanten wie Johannes Hagn, Florian Sareiter und selbst Josef Bierschneider haben längst erkannt, dass man die Energiewende nicht weiter blockieren und hinter verschlossenen Türen verstecken kann, sondern sie öffentlich moderieren, diskutieren und lenken muss.

Wir müssen nun die Gunst der Stunde nutzen, regenerative Energien auszubauen. Josef Bierschneider (CSU), Bürgermeister Kreuth bei einem Treffen der CSU-Verbände im Tegernseer Tal – Juli 2022

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