Zug-Desaster: Jetzt gibt’s Konter

Die BRB sah sich in jüngster Zeit zahlreicher Kritik und Vorwürfen ausgesetzt. Vor allem die mangelnde Barrierefreiheit für Rollstuhlfahrer in den neuen LINT-Zügen wurde angeprangert. Jetzt redet die BRB Klartext.

Seit der Einführung der neuen LINT-Züge bei der BRB wird die mangelnde Barrierefreiheit kritisiert.

Die Bayerische Regiobahn (ehemals BOB) sorgt seit Jahren immer wieder für Ärger bei Pendlern und Fahrgästen. Politik und BRB wussten: Es muss sich etwas ändern. In einem aktuellen Schreiben gibt die Geschäftsführung zu: „Eine Lösung des Fahrzeugproblems war dringend notwendig“. Weiter heißt es:

Ein einfaches „Weiter so“ mit den unzuverlässigen und zu wenigen Altfahrzeugen, den damit verbundenen häufigen Liegenbleibern, Zugausfällen, überfüllten Zügen, defekten Toiletten sowie nicht funktionierenden Heizungen im Winter und defekten Klimaanlagen im Sommer durfte und konnte es nicht mehr geben.

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Im Herbst 2018 wurden deshalb in Abstimmung mit der Bayerischen Eisenbahngesellschaft mbH (BEG) und dem Freistaat Bayern Neufahrzeugen bestellt. Dabei handelt es sich um die neueste Version 8 des Zugtyps Lint 54 des deutschen Zugbauers Alstom. „Wir hatten uns damals mit allen Beteiligten für eben diesen Fahrzeugtyp entschieden, da es sich um ein bewährtes und bereits tausendfach eingesetztes Dieselfahrzeug handelt.“

Heftige Kritik aufgrund mangelnder Barrierefreiheit

Seit Betriebsstart verursachte die mangelnde Barrierefreiheit der Neufahrzeuge allerdings für harsche Kritik (wir berichteten). „Hier möchten wir gleich zu Beginn klarstellen, dass die für den Eisenbahnverkehr maßgeblichen Vorschriften der EU-Verordnung TSI PRM vollumfänglich erfüllt und die Fahrzeuge im Sinne dieser Norm „barrierefrei“ sind“, stellt die BRB-Geschäftsführung klar.

Zudem weisen die Neufahrzeuge viele Neuerungen gegenüber den bisherigen Flotten auf und die Barrierefreiheit sei daher insgesamt deutlich besser als bei den alten Integral- oder Talent- Fahrzeugen. Dennoch wird seitens der BRB eingeräumt, dass der Spalt zwischen Bahnsteigkante und Zug nachteilig sei. Im Vergleich zum Integral sei dieser nun etwas breiter und macht ein Überbrücken erforderlich.

Diesen Nachteil möchten wir mit besserem Service wettmachen.

Hierfür wird von Kundenbetreuern oder Triebfahrzeugführern eine mobile Faltrampe ausgelegt. „Diese befindet sich gleich neben dem deutlich gekennzeichneten Einstieg für Fahrgäste mit Mobilitätseinschränkung und ist innerhalb kürzester Zeit einsatzbereit.“ Eine Voranmeldung für diesen Service ist nicht nötig. „Wir sind damit kundenfreundlicher als die meisten anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen in Deutschland“, so die BRB.

Zudem sind außen und innen im Zug Rufknöpfe angebracht, mit denen der Fahrgast die Rampe anfordern kann. „Als weitere Erleichterung und Schritt hin zum unabhängigen Reisen für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste möchten wir wieder mobile Überfahrrampen (Riffelbleche) beschaffen und in den Zügen anbringen, die dann auch von Begleitpersonen oder anderen Personen an den Türen angelegt werden können.“

BRB nimmt Stellung zu einzelnen Vorwürfen

Der zusätzliche zweite Rollstuhlfahrerplatz mit zwei separaten Begleitersitzen, die Trennung des Rollstuhlfahrerbereichs vom Bereich für Fahrradfahrer, zusätzliche Notrufknöpfe, die barrierefreie Toilette sowie zahlreiche neue taktile und akustische Elemente für sehbehinderte Fahrgäste „sind einige der Vorteile der Neufahrzeuge, die diesem einen Nachteil des größeren Spalts gegenüberstehen.“

Laut BRB sei es selbstverständlich immer richtig und wichtig, weitere Verbesserungen für ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderung umzusetzen und einzufordern. „Aber diese Diskussion kann und darf nicht einseitig zu Lasten der BRB und deren Neufahrzeuge im Oberland geführt oder hiermit verwechselt werden.“ So könne die BRB weder europaweite Vorgaben zur „Barrierefreiheit“ verändern, noch für eine Harmonisierung der unterschiedlichen Bahnsteighöhen sorgen. Um die Kritikpunkte deutlich zu machen, hat die BRB alle Vorwürfe zusammengetragen und eine Erklärung dazu abgegeben:

Einstiegssituation:

Vorwurf: Die Fahrzeughöhe beträgt 55 cm und die Neigung der Rampe darf maximal zwölf Prozent betragen.
BRB-Statement: Die Einstiegshöhe beträgt 73 cm. Die Neigung der Außenrampe darf 18 Prozent betragen gemäß TSI PRM 5.3.1.2, beim Lint-Zug liegt diese zwischen zwölf und 15 Prozent, je nach Bahnsteighöhe. Zudem gilt für die historisch bedingt besonders niedrigen Bahnsteige im Oberland, wie es sie an den Stationen Tegernsee, Bayrischzell, Schliersee und Lenggries gibt, Bestandsschutz wie überall in Deutschland. Trotzdem hat man hier über zusätzliche mobile Rampen mit entsprechender Länge an den Stationen schon vor Jahren gute Lösungen gefunden.

Vorwurf: Der Rollstuhlbereich ist mangelhaft gekennzeichnet und schwer zu finden.
BRB-Statement: Kennzeichnung des Rollstuhlfahrerbereichs außen am Zug mit einem 47×47 cm großen Aufkleber. Kein Zutritt für Fahrradfahrer in diesem Bereich und somit keine Konkurrenz mit Radfahrern mehr.

Vorwurf: Der Reisende kann am Bahnsteig leicht übersehen werden und kann nicht auf sich aufmerksam machen.
BRB-Statement: Es sind innen und außen am Zug Ruftaster angebracht, die direkt beim Triebfahrzeugführer Ein- bzw. Ausstiegswunsch anzeigen.

Aufenthaltsbereich für mobilitätseingeschränkte Reisende

Vorwurf: Die Begleitersitze sind keine vollwertigen Sitzplätze und schmäler als die anderen Plätze im Zug.
BRB-Statement: In den Altfahrzeugen gab es gar keine Begleitersitze. In den Neufahrzeugen gibt es zwei separate, gekennzeichnete Begleitersitze in unmittelbarer Nähe der Rollstuhlfahrerplätze, auf die sich der Rollstuhlfahrer auch umsetzen kann. Die Breite des Sitzes beträgt genau wie bei der sonstigen Bestuhlung im Fahrzeug 47 Zentimeter zzgl. einer Armlehne.

Vorwurf: Rollstuhlfahrer sind gezwungen, immer in die offene Toilette zu schauen.
BRB-Statement: Die WC-Tür ist in der Regel geschlossen. Der erste Rollstuhlfahrerplatz ist schräg gegenüber des WCs und der Blick führt an dem WC vorbei. Der zweite Rollstuhlfahrerplatz befindet sich gegenüber neben dem Begleitersitz mit Blick aus dem gegenüberliegenden Panoramafenster.

Barrierefreie Toiletten:

Vorwurf: Die Schwelle zum WC ist mit 3,5 bzw. 5 Zentimeter unüberwindbar.
BRB-Statement: Die Schwelle zum WC ist im LINT 1,5 Zentimeter hoch. Im Altfahrzeug Integral ist die Schwelle zwei Zentimeter hoch.

Vorwurf: Der Notrufknopf im WC ist unterhalb des Toilettensitzes auf der falschen Höhe angebracht.
BRB-Statement: Im WC befinden sich drei Notfallruf-Knöpfe, somit einer mehr als die TSI PRM vorschreibt. Einer davon befindet sich neben dem WC-Sitz in zirka 40 Zentimeter Höhe, sodass dieser auch liegend vom Boden erreicht werden kann.

Zugang zum barrierefreien Bereich:

Vorwurf: Der Zugang führt an der Toilette vorbei und ist zu schmal. Die Rampe vom Einstiegsbereich hinunter ist zu steil.
BRB-Statement: Der Zugang zum Bereich für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste ist gegenüber vom Durchgang. Der Durchgang an der Toilette muss nicht genutzt werden. Die Breite des Durchgangs beträgt 60 Zentimeter und ergibt sich zwingend durch das vorgeschriebene Mindestraummaß der Toilette und die Zugbreite. Die Rampe zum Bereich für mobilitätseingeschränkte Fahrgäste hat zeichnungsgemäß eine Neigung von 12 Prozent – konform zur TSI PRM.

Eigenständiger Einstieg von allein reisenden Rollstuhlfahrern:

Vorwurf: Beim Integral war ein eigenständiger Einstieg ohne Unterstützung einer weiteren Person und ohne Überfahrrampe möglich.
BRB-Statement: Nach unserer Erfahrung hat die weit überwiegende Mehrheit allein reisender Rollstuhlfahrer auch bei den Integralfahrzeugen die mobile Überfahrrampe (Riffelblech) für den Ein- und Ausstieg mit Unterstützung durch das Fahrpersonal oder andere Personen genutzt. Bei den Talentfahrzeugen war der Ein- und Ausstieg ohnehin nicht ohne Rampe möglich.
Eine solche mobile Überfahrrampe (Riffelblech) möchten wir auch wieder für die Neufahrzeuge beschaffen und in den Fahrzeugen zugänglich anbringen.

Voranmeldungsfrist von 48 Stunden für Mobilitätseingeschränkte:

Vorwurf: Für Fahrten nach München ist eine Voranmeldung von 48 Stunden vor Reiseantritt notwendig.
BRB-Statement: Bei der BRB im Oberland ist gar keine Voranmeldung notwendig, erleichtert uns aber natürlich die Disposition, wenn diese vor Ende des Vortags erfolgt.
Selbst bei Reisen innerhalb ganz Deutschlands ist nach unserem Kenntnisstand eine Voranmeldung innerhalb von maximal 24 Stunden vor Reiseantritt notwendig. Hier gibt es unterschiedlichste Fristen (DB Netz, DB Fernverkehr, DB Regio und DB Station & Service), die den verschiedenen Ausstattungen und Besetzungszeiten an den Stationen geschuldet sind. Nur grenzüberschreitend ins Ausland gilt immer eine Voranmeldungsfrist von 48 Stunden vor Reiseantritt.

Beschaffung der falschen Fahrzeugversion:

Vorwurf: Es hätte ein anderer LINT 54-Typ (LINT 54 H) mit einer passenden Einstiegshöhe von 76 Zentimetern bestellt werden können.
BRB-Statement: Der LINT 54 H war nicht zugelassen verfügbar. Aussage Alstom aus November 2018:

“Eine Lieferung des Lint 54 in der Hochflur-Variante ist nicht möglich, da der Lint 54 in der Hochflur- Variante (LINT 54 H) keine Zulassung gemäß der aktuell gültigen TSI-Norm besitzt.”

Brandschutznormen:

Vorwurf: Die Vorgaben zum Brandschutz im Bereich für die Menschen mit Behinderungen sind nicht eingehalten bzw. deren Einhaltung nicht nachgewiesen.
BRB-Statement: Der Brandschutz sämtlicher im und am Zug verbauten Teile ist nachgewiesen und gutachterlich bestätigt. Andernfalls hätte keine Inbetriebnahmegenehmigung für die Züge durch das Eisenbahnbundesamt erteilt werden dürfen. Insoweit müssen und dürfen wir fest davon ausgehen, dass alle brandschutztechnischen Auflagen – nicht nur im Mehrzweckbereich für Rollstuhlfahrer – eingehalten sind.

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