Heute schon was erhöht?

Jeder im Oberland hat so sein Hobby: In Kreuth spielen sie Katmandau, in Waakirchen lieben sie Unterschriftenaktionen, in den anderen Talgemeinden schätzt man das Sprechen mit doppelter Zunge. Unser Kollege Martin Calsow hat sich an die Übersetzung gemacht.

Ob Parkplatzgebühren, Kurtaxe oder Zweitwohnungssteuer – die Gemeinden im Tal erhöhen eine Gebühr nach der anderen.

Ein Kommentar von Martin Calsow:

Sie sind Erster Bürgermeister einer Talgemeinde und im VHS-Kurs „Kleinteilige Politik – einfach erklärt“ haben sie das Wichtigste in der ersten Stunde gleich gelernt. Ohne Geld im Haushalt bist du ein Niemand. Nur ein Grüßaugust für Geburtstagsfeiern von hundertjährigen Talinsassen. Sie aber wollen ein Denkmal haben, so was wie ein Hotel oder ein Steg – mindestens.

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Politiker wollen Steuern wie Junkies den nächsten Schuss

Beispiel Zweitwohnungssteuer: Denn mehr Geld bedeutet offiziell mehr Mittel, um die eigene Klientel mit rechtzeitig überbrachten Geschenken bei der Stange zu halten. Klar, das sagen sie nicht so. Sie sagen: So steuern wir gegen die Syltisierung des Tals an. Selbst Menschen mit überschaubarer Intelligenz erkennt: Das ist Unsinn. Wer mehr als eine Millionen Euro für eine Haziette hinlegt, lacht darüber und zahlt es aus der Schwarzgeldkasse. Die anderen stöhnen, verstehen gar nicht die Wut gegen sie.

Denn auch sie kaufen hier ein, beauftragen Handwerker, gehen zum Friseur oder tanken hier. Aber eben nur ein paar Mal im Jahr. Selbst schuld. Da kann man als Bürgermeister schon feste draufschlagen, sind ja keine potenziellen Wählerstimmen. Gut, sie sehen munter zu, wie ihr „Städtchen“ oder ihre Gemeinde mit Landhäuser-Bunkern für die ausländische Klientel zugeknallt wird, aber da kann man ja auch nichts machen. Da ist man wieder ein kleiner hilfloser Bürgermeister und verweist mutlos auf das böse Landratsamt.

Beispiel Parkplatzgebühr: Da kommt der Münchner Wander-Nassauer und parkt frech in unseren Wäldern für kleines Geld. Dagegen muss man was tun. Wie sonst finanzieren sie Rathaus-Neubau und Jod-Schwefel-Träume? Aber das sagen sie nicht so. Sie sagen: Schluss mit dem Verkehr. Der Stoderer-Pöbel soll mit der BOB kommen oder in der Früh mit dem Fahrrad in München losfahren. Das kommt gut an. Denn die Wählerklientel glaubt ja, dass nicht sie selbst das Verkehrsproblem sind, sondern immer die anderen. Jene, die nur durchfahren, die kommen und wieder gehen und grundsätzlich zu wenig Geld im Tal lassen.

Gebührenerhöhungen für Pseudo-Visionen

Ein Quartalsverrückter aus dem Tal schlug kürzlich eine Erhöhung bis zu 35 Prozent vor. Es folgt keinerlei politischer Idee, eher dem schnöden Floriansprinzip. So lange andere zahlen, fühle ich mich gut. Es ist keine Steuerung, es ist nur der vulgäre Griff der Politik in die Taschen der Bürger, aber gut verkauft mit doppelter Zunge und wohlfeil mit einer Pseudo-Vision überzogen, damit auch alle die Pille schlucken.

Heute mögen sich die Einheimischen die Hände reiben, weil es gegen die bösen Zweitwohnsitzler geht. Aber sie vergessen, dass sie faktisch davon kaum profitieren. Mehr Gemeindewohnungen, mehr Wohnraum für „normale“ Bürger? Ach was. Die sich selbst als „Erste Bürgermeister“ nennenden Herrn nutzen das Spiel, um den Haushalt zu konsolidieren. Mal, weil der Vorgänger sich ein Steg-Denkmal gesetzt hat. Mal, weil jemand von einem Gesundheitsmekka am Westufer träumt. Aber immer schön nur den eigenen Sprengel im Auge haben. Geht das auch anders, mit ein wenig mehr Vision und Sicht auf drängendere Probleme?

Was nützt das den Einheimischen?

Die Einnahmen aus Parkplatzgebühr, Zweitwohnungssteuer etc. könnten eingesetzt werden, um Einheimische kostenloses Busfahren, Wandern und vergünstigte BOB-Tickets zu ermöglichen. Das wäre ein greifbarer Mehrwert, der sich auch politisch klug erklären ließe. Das setzt aber eine gemeinsame Strategie der Gemeinde-Vorsteher und ein Denken jenseits des eigenen Kirchturms voraus. Aber viele dieser Teilnehmer des VHS-Kurs „Kleinteilige Politik“ haben selten in fernen Gegenden jenseits der A8 Erfahrungen sammeln dürfen.

Deswegen werden wir nicht erleben, wie sich fünf Talbürgermeister aufraffen und dem Verkehrsminister ordentlich Dampf machen, um das BOB-Dilemma anzugehen. Auch deswegen werden wir nicht erleben, wie sich die fabulösen Fünf gemeinsam die katastrophale Digitalversorgung bei der zuständigen Ministerin in München erklären lassen, damit die den Netzkonzernen auf die Füße steigt. In etwas mehr als einem Jahr wird gewählt. Schauen Sie genau hin, wer von den Kandidaten bereit ist, politisch den eigenen Tellerrand zu verlassen. Und an die Zweitwohnler: Es soll einige von ihnen geben, die sich gerade nur zum Zwecke der Wahl ummelden..

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