Valium für Bierschneider, Mitleid für Höß

Per Live-Stream konnten Zuschauer „in aller Welt“ das Derblecken im Tegernseer Bräustüberl verfolgen. Nico Schifferer hielt als Bruder Barnabas zum neunten Mal die Fastenpredigt. Mit einem Augenzwinkern, aber ernstem Unterton, nahm er die Lokal-Politiker auf die Schippe.

Bruder Barnabas alias Nico Schifferer hielt den Tal-Bürgermeistern beim gestrigen Starkbieranstich im Tegernseer Bräustüberl mit erhobenem Zeigefinger den Spiegel vor.

Zum neunten Mal warf sich Nico Schifferer heuer die Robe des Bruder Barnabas über. Beim traditionellen Starbieranstich im Bräustüberl sprach er gestern zur Begrüßung besonders jenen seinen Respekt aus, die gekommen waren, obwohl sie wussten: „Das kann nicht gutgehen“.

Unter den mehr oder weniger prominenten Zuschauern tummelten sich unter anderem Herzogin Helene von Bayern, Landrat Wolfgang Rzehak, alle Tal-Bürgermeister, TTT-Chef Christian Kausch samt Veranstaltungsleiter Peter Rie, Hotelier Korbinian Kohler, Skilangläufer Peter Schlickenrieder, die Gebirgsschützen, Pfarrer Martin Weber sowie zahlreiche Pressevertreter.

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Der grandiose Grantler Florian „Flickä“ Oberlechner war nicht anwesend, wurde aber von Schifferer lobend als „der personifizierte Rundumschlag aus Kreuth“ erwähnt. Den ehemaligen E-Werk-Chef Dr. Norbert Kruschwitz bezeichnete er als „Energiespender auf Abschiedstour“, der „Unglaubliches geleistet habe“. Er holte ihn vor zum Predigt-Pult und überreichte ihm eine Kerze, damit sie ihm den Weg in den Ruhestand leuchten möge.

Lange Rede, kurzer Sinn

Bräustüberl-Wirt Peter Hubert hielt die Ansprache und wurde kurz darauf von Bruder Barnabas mit den Worten abgelöst: „Bei der ersten Fastenrede fragte er mich: „Nico, was soll ich zur Begrüßung sagen?“ „Da sagst Grüß Gott“, habe ich geantwortet. „Heute sagt er so Grüß Gott, dass ich eine Viertelstunde warten muss.“

Damit sorgte er für den ersten Lacher bei seiner zwischen Welt- und Talpolitik, zwischen Ernst und Spaß wechselnden, rund 90-minütigen, wortgewaltigen Rede, die am Ende zum Nachdenken anregte. Schwierig sei es gewesen, sie auf Papier zu bringen. Vor seinem weißen Blatt sitzend habe er diesen Alptraum gehabt: In den fünf Talgemeinden wären Bürgermeisterwahlen gewesen, und in jeder Talgemeinde wäre Johannes Hagn Bürgermeister geworden – der „skandalfreie Fastenprediger-Killer.“

Er solle die Politiker zwar kräftig anpacken, gar lustig solle es sein, aber eigentlich sei es zum Weinen, so Barnabas alias Nico Schiffer. Die Brauerei entwickele sich beispielsweise immer mehr zum Immobilienkonzern. Er hoffe darauf, dass sie “ihr Hobby” – das Bierbrauen – noch eine Weile betreiben möge.

Landrat Wolfgang Rzehak zapfte das Starkbierfass an.

Brauerei-Direktor Christian Wagner dürfe sein Lieblingshobby selbstverständlich weiterbetreiben: Die Schranke vorne am Parkplatz. Sie habe Ähnlichkeit mit der Mautplanung: Im Prinzip eine gute Idee, in der Praxis ein Kas. Optisch jedoch ein Gewinn: Sie stehe da wie „eine Erektion in der Landschaft“.

Weniger gut weg kamen die Tegernseer Talbürgermeister. Außer ihrem Titel hätten sie keine Gemeinsamkeiten. Durch ihre Uneinigkeit und Rechtsstreitigkeiten würden sie Kosten verursachen, mit denen sie einen dreistöckigen Kindergarten 20 Jahre lang finanzieren könnten.

Das “Friedenstäubchen” Johannes Hagn sei mal kurz „medial aufgeschreckt“, als Manuel Neuer an den Tegernsee gezogen ist. Froh sei Barnabas über Neuers Zuzug, sonst wäre der Blutdruck des Tegernseer Bürgermeisters vermutlich nie über 108 gestiegen. Aber nach dem Bildzeitungsartikel sei er “so richtig narrisch gewesen”.

Lobende Worte hatte Barnabas für den “unter Strom stehenden” ehemaligen Chef des Tegernseer E-Werks, Dr. Norbert Kruschwitz. Er bekam eine Kerze überreicht – damit sie ihm den Weg in den Ruhestand leuchten möge.

Dann begann die alljährliche Reise ins politische Tal in Tegernsee, der Kommune „mit den rückläufigen Übernachtungszahlen“. Barnabas Zweizeiler dazu:

Kein Wunder bei dem Bettenschwund – wir nähern uns der Zahl von Gmund.

Barnabas gratulierte TTT („Talbürger torpedieren Tourismus”) -Chef Christian Kausch zur Beförderung und stellte ihn im Saal vor. „Wissen Sie, Herr Kausch, warum die Gmunder keinen TTT-Beitrag mehr bezahlen wollen? Bei denen ist jede Übernachtung mit 23.000 Euro subventioniert.“ Er stelle sich seinen Job sehr schwer vor, so Barnabas zu Kausch, „Sie machen Tourismus und Politik – und der Haslberger was er mag.“

Die Verantwortlichen in Tegernsee haben währenddessen den sechsstöckigen Klinik-Monsterbau an der Point nicht durchgewunken, sprach Barnabas mit ernstem Ton, sondern seien stolz drauf, diesen abgeschmettert zu haben – wollen nun aber einen ebenso „schlimmen und viel zu rücksichtslos geratenen Plan genehmigen.”

Dass man sich wegen der sinkenden Übernachtungszahlen immer wieder ins Bockshorn jagen lassen kann, sei für ihn nicht nachvollziehbar. Der Investor habe doch kein „Recht auf Vernichtung an der Egerner Bucht”, empörte er sich. „Der erste Entwurf war schlicht eine Frechheit und der jetzige Plan ist die kleine Schwester davon.“

Helga-Amok-Wagner gegen Georg-Zynismus-Preysing

Von Tegernsee ging es weiter nach Gmund. Über 50 Jahre lang sei am Tölzer Berg nicht gebaut worden. Jetzt müsse man großräumig über Schaftlach, Kreutzstraße oder auf der anderen Seite großräumig über Kaltenbrunn fahren. Aber die Verantwortlichen in Rosenheim denken wahrscheinlich:

Unser Herbstfest, das is‘ schee‘, was scheiß i mi um Tegernsee?

„Und dann sitzen im Gemeinderat zwei ultragrüne Damen mit Verweigerungssyndrom. Mutter und Tochter. Mutter Helga-Amok-Wagner hatte wieder einen filmreifen Auftritt zum Dauerbrenner Maximilian gegen Georg-Zynismus-Preysing. „Eine Super-Show und null Eintritt.“

Bad Wiessee: Hier rührt sich der Stillstand

Dann betrat Barnabas das „Mekka der geplatzten Träume“, den „selleriekriechenden Dauerplanungsbetrieb mit eingebauter Ergebnislosigkeit“ – Bad Wiessee. Eigentlich wollte Barnabas auf Bürgermeister Peter Höß so richtig draufhauen, aber dann habe ihn – so kurz vor Ostern – doch das Mitleid gepackt. Jetzt, „wo der Geschäftsleiter abgehauen ist und die schwefelgeschwängerten Ratten das sinkende Schiff verlassen“.

Voll besetzte Tische, gute Laune und Bier.

Der Bürgermeister hätte schon recht, wenn er den Schweizer Investor für das Jodschwefelbad „herschmuse“. Es sei ja auch der einzige. Von einer Gemeinde mit lauter Amateuren könne man schließlich nicht erwarten, so Barnabas ironisch, dass sie nach 6 Jahren Konzept ein gescheites Objekt auf die Beine stellen. Und wenn das Ganze dann ausgestanden ist, sei Bad Wiessee wahrscheinlich sowieso schon in den „durchsichtigen und undurchsichtigen Fängen der Hasl-Maus“.

Kreuth – das Zentrum der Regionalberuhigung

Ganz anders dagegen in Kreuth. Hier habe jeder eine Dosis Valium im Blut. Und Bürgermeister Sepp Bierschneider, der schon seit der Zeit im Amt ist, als man selbst noch an den Mofas getunt hat, eine Überdosis. Bruder Barnabas verlangsamte auch sofort sein Sprechtempo, damit er „nicht so schnell fertig ist“. Dass Kreuth jetzt ein Bergsteigerdorf sei, wäre ein gutes Zeichen. Das impliziert, es geht bergauf. Die Diskussion um die nächtlichen Skitouren sei für ihn als begeisterter Sportler nahezu irrsinnig: “Mitten in der Nacht durch die Pampa zu watscheln – wo du nix siehst”, das sei so blöd wie “Striptease im Radio”.

Dann widmete er sich Waakirchen. Die “Heimat des Löwen” habe mit ihrem Golfplatz, der Brauerei und dem Tunnel ein Signal ans Ausland gesetzt: „Wir können etwas bauen, das komplizierter ist als ein Sandkasten.“ Über die Kosten mache man sich keine Gedanken. Die Lösung sei ganz einfach: Dafür wird einfach 10 Jahre kein Flughafen gebaut.

Köck gegen baulustigen Brotzeit-Taikun

Der Rottachs Bürgermeister Christian Köck sei der “Bürgermeister der Moderne”. Sorgen machen müsse man sich, wenn er nicht in der Zeitung erscheine. Irgendwo würde er immer jemanden ehren oder grantige Rede halten, wenn er mal nicht Ärger mit dem baulustigen Peter Hubert hat. Dabei sei er einer der letzten, der noch die Bauwut anprangere und sich das Tal nicht zubauen lassen wolle, so der Fastenprediger.

“Von einer Luxusimmobilie zur nächsten” – prangerte Barnabas den Trend im Tal an – dafür müssten 100 Jahre alte Bäume weichen und Straßen zusammenbrechen. Kaum einer sehe die Signale. Bruder Barnabas wurde am Ende seiner Predigt sehr ernst:

Veränderung ohne Zerstörung ist das Ziel. Wir haben es in der Hand. Nur, wenn wir lernen, Nein zu sagen, werden viele künftig zum Tal Ja sagen.

Ein Video des Abends folgt später auf der Tegernseer Stimme.

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