Erst im August machte Müller-Brot am Lindenplatz seine Back-Filiale dicht. Seither blickt man in der kleinen Fußgängerzone in Wiessees Zentrum einmal mehr in gähnend leere Schaufenster. Wie berichtet, kommt ab dem neuen Jahr dann ein weiterer Leerstand hinzu: Denn auch Andreas Eybel beendet den Pachtvertrag in Bad Wiessee und schließt seine Filiale.
Kühn fordert Konzept zur Belebung der Ortsmitte
Robert Kühn, der selbst ein Schuhgeschäft in der Ortsmitte betreibt, blickt mit Sorge auf diese Entwicklung. Der wachsende Leerstand veranlasste den SPD-Bürgermeisterkandidaten und Sprecher des örtlichen Gewerbeverbunds ‚Aktive Wiesseer‘ dazu, einen schriftlichen Antrag zur Bürgerversammlung einzureichen.
So heißt es in seiner Anfrage: „Wenn man momentan durch das Zentrum geht, wird man Leerstand an Einzelhandel feststellen. Bald wird auch der Netto wegfallen.“ Für Kühn eine Entwicklung, die es zu stoppen gilt: „Das Herz unseres Ortes blutete aus.“ Er wollte daher von Bürgermeister Peter Höß, der an jenem Abend seine letzte Bürgerversammlung abhielt, wissen: Gibt es ein Konzept zur Belebung der Ortsmitte?
Zudem sprach Kühn in seiner Anfrage auch das Einzelhandelsgutachten der Gemeinde an. Vor über einem Jahr seien die Gewerbetreibenden im Zuge dieses Gutachtens für ein Stimmungsbild befragt worden. Das Ergebnis dieses Gutachtens wurde allerdings nie öffentlich präsentiert. Auch die Gewerbetreibenden selbst seien nicht informiert worden. Kühn kritisierte damit die fehlende Mitnahme der Beteiligten.
Mehr Aufenthaltsqualität in Bad Wiessee schaffen
Der Ladenleerstand, den Kühn ansprach, „ist zweifellos ein Problem“, gab Höß zu Beginn seiner Stellungnahme zu. Was das Thema Einzelhandelsgutachten angeht, fasste Höß die wichtigsten Erkenntnisse zusammen: Es fehlen Gastronomie für den Abend, ein Drogeriemarkt sowie ein Versorger. „Mittlerweile haben wir den Netto noch. Wir wissen aber nicht wie lange.“ Wie berichtet, hat die Eigentümerin des Gebäudes dem Netto-Discounter noch eine Galgenfrist eingeräumt. Eine unmittelbare Schließung steht also nicht bevor, dennoch wisse laut Höß keiner, wie lange es den Nahversorger noch gebe.
Zudem ergab das Gutachten, dass die Distanz zwischen den einzelnen Geschäften zu groß ist, was einen Einkaufsbummel nicht sehr attraktiv macht. Auch die Eigentumsanteile seien laut Höß zu niedrig, während die Gewerbemieten mit 16 Euro pro Quadratmeter „zu hoch sind.“ Insgesamt bestehe der Wunsch nach mehr Aufenthaltsqualität im Ort, so Höß. Laut Gutachten beurteilen rund 20 Prozent der Gewerbetreibenden die Situation als problematisch.
Grühn-Areal derzeit als einzige Option
Bleibt die Frage: Was kann man machen? Um Fläche für neue Läden und vor allem einen Drogeriemarkt zu schaffen, sprach Höß das Grühn-Areal in der Ortsmitte an. „Wir wissen alle, dass das Objekt dem Verkauf zugeführt werden soll.“ Soweit ist es allerdings noch nicht. Wie berichtet, ringen die Erben des Areals noch immer um eine gemeinsame Lösung. Ein Investor hat sich bereits zurückgezogen. Höß weiß:
Alles hängt davon ab, dass sich die Erben mit einem Investor einigen.
Immerhin hat die Gemeinde bereits im Oktober 2018 festgesetzt, was auf dem Grundstück entstehen darf. „Es muss eine überwiegend touristische Nutzung auf dem Gelände stattfinden“, erklärt Höß. Neben einer touristischen Nutzung kann sich die Gemeinde auch Gastronomie oder gar Personalwohnungen vorstellen. Eigentumswohnungen wurden dagegen vehement ausgeschlossen. Dafür wären Gewerbeflächen und Einzelhandel im Interesse der Gemeinde.
Derzeit ist auf dem Grühn-Areal ausschließlich Fremdenverkehrsnutzung zulässig, sodass Investoren nur in Kooperation mit der Gemeinde etwas Neues realisieren können. Jeder mögliche Investor wird daher über die Empfehlungen der Gemeinde für das Grundstück informiert. „ Wir können nicht die Fremdenverkehrsnutzung aufgeben und Immobilienhaien das Geld in die Tasche spülen. Wir als Gemeinde dürfen unsere Planungshoheit nicht aus der Hand geben“, so Höß.
Mehr Gäste nach Wiessee holen
Dass die Müller-Brot-Filiale und bald auch die Eybel-Niederlassung am Lindenplatz wegfallen, findet Höß „extrem schade.“ Doch das Ladensterben sei nicht nur ein Problem in Wiessee, sondern auch andernorts. „Ich hab mich erst vor kurzem mit jemandem aus der Bekleidungsbranche unterhalten.“ Zwischen 2018 und 2019 habe es einen Umsatzeinbruch von 35 Prozent gegen.
Das ist zurückzuführen auf das Kaufverhalten der Konsumenten. Amazon ist euer größter Konkurrent.
Für den Bürgermeister steht fest: „Unsere Aufgabe ist es, mehr Gäste nach Bad Wiessee zu holen, um unsere Geschäfte zu beleben. Wir brauchen auch die Tagesausflügler, die unsere Wirtschaft ankurbeln. Alles muss sich gegenseitig befruchten.“ Er ist sich sicher, dass die Gemeinde alleine mit dem Strüngmann-Hotel-Projekt einen Schritt mache, der eine gute Zukunft bringt.
Kühn bedankte sich zwar für die Ausführungen des Bürgermeisters, dennoch zeigte er sich nicht ganz zufrieden. „Wir müssen konstruktiv darüber nachdenken, was bei uns am Ort passieren kann. Und zwar mit der Bürgerschaft.“
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